Die Altstadt von Edinburgh bestand ursprünglich aus der Hauptstraße, die heute als Royal Mile bekannt ist, und den kleinen Gassen und Innenhöfen, die nach Norden und Süden führten. Diese wurden normalerweise benannt nach einem denkwürdigen Bewohner einer der Wohnungen, die durch den gemeinsamen Eingang erreicht wurden, oder nach einem Handel, der dort von einem oder mehreren Bewohnern ausgeführt wurde. Im Allgemeinen wird eine solche Gasse als Close bezeichnet.
Die meisten Closes gehen von der Royal Mile ab steil runter und viele haben lange Treppen. Weil die Menschen innerhalb der Stadtmauern Schutz gegen englische Angriffe suchten, gab es in Edinburgh eine irre Wohndichte. Die Closes sind schmal und auf beiden Seiten von hohen mehrstöckigen Gebäuden umgeben, was ihnen eine schluchtähnliche Erscheinung und Atmosphäre verleiht. Die Gebäude hatten schon im Mittelalter bis zu acht Stockwerke. Die obersten wurden aus Holz gezimmert, die aber sehr einsturzgefährdend und ausserdem sehr brandanfällig waren.
Ich empfehle eine Führung durch das „Mary King’s Close“. Diese Gasse ist noch fast in ihrem ursprünglichen Zustand und man bekommt ein sehr beklemmendes Gefühl, wie die armen Leute damals in der Stadt gelebt haben. Neunköpfige Familien eingepfercht in einem Raum mit niedriger Decke ohne Tageslicht, in dem sie gekocht und ihre „Geschäfte“ verrichtet haben. Interessant ist auf jeden Fall die Entsorgung der vollen Eimer.
Jeden Abend zum Glockenschlag um 10 Uhr wurden diese in die Closes geleert. Die Leute aus den unteren Etagen leerten ihre Eimer aus der Tür heraus und die Leute aus den oberen Stockwerken leerten den Inhalt zum Fenster raus. Da Closes steil zum Stadtrand raus abfielen, schwappten also die Fäkalien jeden Abend die Closes runter. Jetzt waren natürlich die Closes nie leer sondern voller Marktstände, Menschen und Tiere. Mit dem Ruf „Gardez l’eau“ wurde das Elend von oben angekündigt und die Leute mussten sich und ihre Waren dann eben irgendwie in Sicherheit bringen. Auf dem engen Raum sicher nicht einfach.
Leute von ausserhalb, die nicht wussten, was der Ruf bedeutet, hatten halt Pech. Dumm auch, wenn sie zum ungünstigen Zeitpunkt nach oben schauten, um zu sehen, wer da ihnen was zuruft.
Das White Horse Close ist ein geschlossener Hof abgehend von der Canongate am Fuße der Royal Mile am östlichen Ende der Altstadt, der aufwändig restauriert wurde.
Das Gasthaus (das Haus mit der Treppe) war der Ausgangspunkt für die Postkutschen, die im 18. Jahrhundert zwischen Edinburgh, Newcastle und London fuhren.
Ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Stadt sind die Edinburgh Vaults oder South Bridge Vaults. Diese sind eine Reihe von Kammern in den neunzehn Bögen der South Bridge, die im Jahr 1788 fertiggestellt wurde. 30 Jahre lang wurden die Gewölbe verwendet für Kneipen und Werkstätten sowie als Lagerraum für Händler. Als sich die Bedingungen in den Gewölben vor allem wegen der feuchten und schlechten Luftqualität verschlechterten, zogen in den 1820er Jahren die Unternehmen aus und die ärmsten Bürger von Edinburgh ein.
Die Vaults waren ein Hotspot für Obdachlose und für kriminelle Aktivitäten wie illegale Spielkneipen, Whiskybrennereien und Gerüchten zufolge lagerten Bodysnatcher Leichen dort über Nacht. Ordnungshüter machten einen großen Bogen um diesen Ort. Daher existieren auch keine Aufzeichnungen darüber, wieviele Menschen dort überhaupt gehaust haben. Die Menschen dort waren in einem gesetzlosen Raum völlig auf sich allein gestellt. Das wenige, dass sie hatten, mussten sie bei Leib und Leben verteidigen.
Dass Menschen dort überhaupt gelebt haben, wurde erst 1985 bei einer Ausgrabung entdeckt. Müll aus Spielzeug, Medizinflaschen, Tellern und andere Zeichen menschlicher Besiedlung wurden dabei freigelegt.
Die Vaults sind für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, es gibt aber Besichtigungstouren. Danach ist man froh, dass man im 21. Jahrhundert lebt. Ein Blick auf Edinburgh in sonnigerem Zustand: