Wo bleibt Nessie?! Oder eine Runde durch die Highlands.

Im Norden Schottlands, eingekuschelt in den Highlands, liegt das Städtchen  Inverness – wie der Name schon verrät – am Fluss Ness und biedert sich dem Besucher geradezu an als Ausgangspunkt für eine Runde um den Loch Ness. Im zentral gelegenen Glen Mhor Hotel, das sich zusammensetzt aus mehreren Gebäuden der viktorianischen Zeit ist perfekt für die müden Knochen. Die Zimmer waren viktorianisch rustikal, das Essen und der Whisky im Restaurant dafür umso besser (Guinness Pie – ich hätt mich reinlegen können). Unser persönlicher Guide George  ist mit uns frühmorgens um 9 (gnihihi) von Inverness aus Richtung Fort Augustus aufgebrochen, immer schön hart am Westufer entlang, während  er viel über Geschichte und Legenden Schottlands erzählte, z.B. vom Battle of the Shirts.

Und er liebte es ellenlange Witze zu erzählen, wie z.B. den folgenden, den ich mir grob merken konnte (als Hintergrund: mit dem Beitritt zur EU wurde der Alkoholausschank in Pubs in Schottland auf bestimmte Zeiten beschränkt):

Old Blue was a good dog who lived at the pub on the corner. He was very popular with all the regulars, always greeting them as they entered and escorting them to their favourite stool or table then quietly laying in his favourite corner until it was time to bid farewell to everybody.
After a long and happy life Old Blue passed away, much to the sadness of the publican and the clientele. They had a bit of a discussion concerning the most appropriate way to remember such a wonderful dog and decided that they would keep his tail and hang it on the wall above Blue’s favourite resting place.
Old Blue made it as far as The Pearly Gates and met Saint Peter. „Ah Blue,“ the Saint greeted him, „We’ve been expecting you but where is your tail? I’m very sorry but you’re not allowed into Heaven unless you’re physically intact.“ Blue explained where his tail had gone but Saint Peter was adamant. „Sorry Blue, you’ll have to go back and get it.“ he instructed.
So Old Blue went back down to the pub and, considerate dog that he was, waited outside until after closing time rather than risk scaring the drinkers. When the last one had left he slipped inside and found his former master who was, as you would expect, very surprised but none-the-less very pleased to see the faithful dog.
„What are you doing here?“ he asked whereupon Blue told him what Saint Peter had said and asked for his tail back.
The Publican replied. „I would love to help you of course Blue, but I can’t. You know I would lose my licence if I was caught re-tailing spirits after hours.

Buahahaha! 🙂

Urquhart Castle

Unterwegs machten wir Halt am Urquhart Castle, was sich im ersten Moment anhört wie eine Festung aus Herr der Ringe, aber der Sitz des Clans Urquhart ist (Überraschung). Der Blick über den See von der Ruine kann man schon genießen. Sommers ist das Castle ziemlich überlaufen, im Mai hält sich der Ansturm aber noch in Grenzen. Vom Castle aus kann man mit einem Schiffchen eine kleine Strecke über den Loch Ness fahren, was wir natürlich gemacht haben. George holte uns im Hafen wieder ab und stellte im nahe gelegenenen Drumnadrochit unsere Schottischkenntnisse auf die Probe: wir sollten den Namen aussprechen. Als Deutsche natürlich kein Problem: So wie mans halt schreibt – bis auf das u, das als a ausgesprochen wird.

Im Sommer geben sich die Bewohner des Städtchens große Mühe ihre Häuser und Gärten und die öffentlichen Plätze mit Blumen aufzupimpen. Im Mai war davon aber noch nichts zu sehen. Das mussten wir unserem Guide einfach glauben.

Fort Augustus

Augustus, das war der Name des jüngsten Sohnes des Königs George II. Bekannt wurde er aber später unter dem Namen Duke of Cumberland – oder „Butcher Cumberland“, der die britische Armee gegen die Jakobiten bei Culloden ins Feld führte. Und jetzt darf man mal raten, woher er seinen Spitznamen „Butcher“ herhatte…

Fort Augustus wurde allerdings bereits vorher nach ihm benannt, als der englische König dort nach dem ersten Jakobitenaufstand von 1715 eine Festung errichten ließ. Zwischen 1729 und 1742 entstand so das Fort Augustus.

Warum die Engländer ausgerechnet hier ein Fort errichteten, zeigt ein Blick auf die Karte: Fort Augustus liegt zentral im Great Glen. Hier konnte die Besatzung den Weg zwischen Ost- und Westküste kontrollieren, und auch die Passage in den Norden Schottlands. Fort Augustus wurde trotzdem beim zweiten Aufstand von den Jakobiten eingenommen. Rund einen Monat nach seinem Sieg 1746 gegen die Jakobiten bei Inverness, residierte der Duke of Cumberland tatsächlich für zwei Monate in dem Ort. Von hier aus organisierte er die endgültige Unterwerfung der Highland-Clans.

In Fort Augustus mündet ein Teilstück des Caledonian Canal in das Loch Ness. Vorher allerdings muss der Kanal noch fünf Staustufen überwinden. Die alten Schleusen stammen aus dem 19. Jahrhundert und liegen zentral im Ort. Auch die Hauptstraße durch das Great Glen muss den Kanal überqueren und tut dies auf einer Schwingbrücke, die am Ende der Schleusen sitzt.

Wenn man sich einen ganzen Schleusenvorgang angesehen hat, lohnt es sich ein wenig in den umliegenden Geschäften zu stöbern. So gibt es hier eine Glasbläserin, der man bei der Arbeit zuschauen kann. Und Nessie-Souvenirs zum Schweinefüttern.

Falls of Foyers

Nachdem wir uns in Camerons Tea Room mit Suppe bzw.Torte gestärkt haben und die Farm mit ihren schönen Highland Rindern bestaunt haben und diese uns, ging es weiter Richtung Norden zu den Falls of Foyers.

Der Fluss Foyer fällt hier spektakuläre 140 Fuß in eine Schlucht, die den Namen Falls of Foyers trägt, um dann in den Loch Ness zu fließen. Während der viktorianischen Zeit waren die Fälle und Schluchten eine beliebte Touristenattraktion für die gehobene Bürgerschaft bzw. den Landadel. Die  Ankunft erfolgte damals mit dem Raddampfer von Inverness aus. Neben den Wasserfällen gibt es Wald- und Schluchtwege, die ebenfalls einen Besuch wert sind, dabei kann man nach roten Eichhörnchen Ausschau halten. Leider hat bei unserem Besuch jemand den Wasserfall abgedreht. Es hatte einfach zu wenig geregnet in den Tagen und  Wochen zuvor. Und das in Schottland.

Robert Burns widmete den Wasserfällen 1787 ein Gedicht:

Among the heathy hills and ragged woods
The roaring Foyers pours his mossy floods;
Till full he dashes on the rocky mounds,
Where, through a shapeless breach, his stream resounds,
As high in air the bursting torrents flow,
As deep-recoiling surges foam below,
Prone down the rock the whitening sheet descends,
And viewless Echo’s ear, astonish’d rends.
Dim seen, through rising mists and ceaseless showers,
The hoary cavern, wide-surrounding, lowers.
Still, through the gap the struggling river toils,
And still, below, the horrid cauldron boils.

 

Robert Burns mag dem ein oder anderen von Begriff sein. Aber auch wer den Namen nicht auf Anhieb erkennt, kennt garantiert sein berühmtestes Lied, das in angelsächsisch geprägten Ländern das Lied schlechthin ist, mit dem ein neues Jahr begrüßt wird:

Für die Humanisten unter uns: Robert Burns ist DER schottische Nationaldichter. Er erblickte am 25.01.1759 das Licht der Welt und daher ist der 25. Januar für den Schotten ein hoher Feiertag. Ihm zu Ehren findet an diesem Tag vielerorts, also zumeist dort, wo es durch die Irrungen und Wirrungen von Zeit und Geschichte zu einer überdurchschnittlich hohen Zahl von Schotten kommt, ein Burns Supper statt.
Traditionell gibt es dabei unter der Verlesung des Burns-Gedichts „Adress tae the haggis“ denselbigen, also Haggis:

(hier der Originaltext von Burns  nebst englischer Übersetzung des schottischen Dialekts)

Haggis… das mystische Nationalgericht, bei welchem man im Prinzip ein Schaf auf Links zieht und es mit Nierenfett geschmiert zurück in seine eigenen Innereien stopft. Hört sich erstmal schlimm an, aber ich persönlich finde Haggis sehr würzig und lecker. Die Rübenpampe (neeps), die als Beilage nebst okayem Kartoffelpürree (tatties) gereicht wird, finde ich da schon eher geschmacklich grenzwertig bzw. geschmacksneutral.

Die Geschichten rund um das Haggistierchen erinnern mich an den bayrischen Wolpertinger.

Ein Lied geht noch!

Oh doch!

Und zwar “Tae the Weaver’s gin ye go”, Gedicht von 1788:

Kurzzusammenfassung:

Ein Mädchen soll Wolle zum Weber bringen, sie verliebt sich in ihn und wird von ihm geschwängert. Sodom und Gomorrha in den Highlands 😉

(„I rede ye richt, gang ne’er at nicht“ heißt übrigens „Ich rate dir, geh nie bei Nacht“ auf Ostküstensprech)

Wer jetzt noch nicht zum Burns-Fan geworden ist, dem kann ich auch nicht helfen, für alle anderen:

 

Boleskine House und Aleister Crowley

 
Bury me in a nameless grave!
I came from God the world to save.
I brought them wisdom from above:
Worship and liberty and love.
They slew me for I did disparage
Therfore Religion, Law and Marriage.
So be my grave without a name
That earth may swallow up my shame!
– Aleister Crowley
 

Der nächste Stop war dann etwas düsterer Natur: Das Boleskine House. Berühmt-berüchtigt wurde das Haus durch ihren ehemaligen  Besitzer Aleister Crowley, der in den Anfang des 20. Jahrhunderts in der britischen Presse als bösester Mensch der Welt und Teufelsanbeter verschrien war. Er gilt als Begründer des Neo-Satanismus, obwohl er weder an Gott noch an den Teufel geglaubt hat.  Ein bissele schräg war der Mann aber definitiv.

Das Haus selbst ist leider abgebrannt und die Ruine nicht begehbar, man kann aber einen Teil von der Straße aus erahnen. Spuken solls da natürlich auch. Die Nachbarn passen übrigens auch auf wie die Luchse, weil sich immer wieder Fans von Crowley auf das Privatgrundstück begeben, um Souvenirs zu klauen und/oder schwarze Messen abzuhalten. Auch wir wurden schottisch- freundlich angepampt, obwohl wir uns nur den uralten Friedhof auf der anderen Straßenseite anschauen wollten und nicht einmal Anstalten machten, das Grundstück zu betreten. George hat uns nur von der Straße aus die Geschichte des Hauses und des Friedhofs erzählt. Die Gemeinde um Boleskine gibt es schon seit dem 13. Jahrhundert und die Gräber des Friedhofs gehen bis ins frühe Mittelalter zurück.

Photo: Des Colhoun / Cemetery by Easter Boleskine overlooking Loch Ness. / CC BY-SA 2.0

 

Schlammschlacht im Culloden Battlefield und Clava Cairns

In strömenden Regen (endlich) erkundeten wir dann das Culloden Battlefield.

Klatschnass durch den Schlamm stapfend konnten wir gut mit den Truppen mitfühlen, die sich  hier bekriegt haben und ihr Leben verloren haben. Ein Vorteil der Engländer war, das die Clans unter sich sich nicht grün waren und teilweise auch auf englischer Seite gegen rivalisierende Clans gekämpft haben. Es war also in Wirklichkeit kein Kampf Schotten gegen Engländer sondern Jakobiten gegen deren Gegner. Die Kämpfer der  Clans wurden rekrutiert aus Bauern, die für ihre Clanchefs in den Krieg ziehen mussten, da sie sonst ihr zugeteiltes Land verlieren würden. Die modernen Schusswaffen der Engländer, die den Messern und Schwertern der Clans deutlich überlegen waren, besiegelten das Schicksal der Jakobiten. Der Spruch „Never take a knife to a gun fight“ hat schon so seinen wahren Kern.

Weiter gings zu den Clava Cairns. Die bekanntesten und namengebenden Clava Cairns sind die drei nicht besonders großen von Balnuaran of Clava, östlich von Inverness. Innerhalb eines Kreises aus megalithischen Randsteinen wurde der Hügel aus Schotter aufgeführt, der an den Grundriss späterer Breochs erinnert. Im Inneren befindet sich die mittels Megalithen gebildete runde Kammer, zu der ein gefasster Gang führt. Regelmäßig sind Clava Cairns von einem äußeren Steinkreis umgeben, der den Cairn in 10–15 Metern Abstand umgibt. Die in der Höhe abgestuften Steine dieses aus relativ wenigen Steinen gebildeten Kreises haben ihre größte Höhe gegenüber dem Zugang zum Cairn, der nach Südwesten zeigt.

Fazit

Wir umrundeten Loch Ness und fuhren dabei die meiste Zeit am Ufer entlang und hielten natürlich die ganze Zeit Ausschau nach Nessie, aber sie war zu schüchtern. Obwohl…

Im Jacobite Steam Train mit Potter-Feeling und bye Highlands

In Fort William befanden wir uns dann endgültig eingekreist von Bergen. Ben Nevis, der höchste Berg Großbritanniens liegt da auch in der Gegend rum. In Fort William erwartete uns ein weiterer schöner Teil unserer Reise: Ein dudelsackspieler Junge in der Fußgängerzone, der Geld für Dudelsackunterricht sammelt, den er dringend nötig hat. Halt nein, das meinte ich nicht so, das war jetzt gemein, wo soll der arme Junge auch sonst Amazing Grace üben. Soll er lieber Touristen nerven als uns, dachten sich die Eltern. Nein! Schon wieder zu gemein.

Also, nochmal von vorn. In Fort William erwartete uns ein weiterer schöner Teil unserer Reise:eine Fahrt von Fort Williams nach Mallaig mit dem Jacobite Steam Train durch die Highlands. Wem das nichts sagt: Das ist eine der schönsten Zugstrecken weltweit. Die Dampflok fährt dabei u.a. über ein beeindruckendes Viadukt, das aus den Harry Potter Filmen bekannt ist. Der Jacobite ist im Endeffekt der Hogwarts Zug. Allerdings mit dem Vorteil, dass man nicht gegen eine Wand rennen muss, um zum richtigen Bahnsteig zu gelangen. Entlang der Bahnstrecke und am Viadukt lauern natürlich lauter Fotoverrückte. Das nächste Mal stell ich mich auch in die Botanik und fotografiere den Zug in Action.

Die Dampflok keuchte mal mehr,mal weniger angestrengt, aber immer gemählich, vorbei an ruhigen Bergseen mit tollem Blick auf die Berge. In Mallaig hatten wir vor der Rückfahrt eine Stunde Aufenthalt, den wir für eine kleine Bootsrundfahrt genutzt haben, um ein letztes Mal bei dieser Reise einen Blick aufs Meer zu werfen.

Danach hieß es dann tschüss Highlands, bis zum nächsten Mal. Auf dem Weg nach Glasgow ging es am Loch Lomond vorbei, dessen bonnie bonnie banks leider unter dem grauen Himmel nicht ganz so bonnie waren.

Aber eine Pause dort musste sein, schon allein wegen:

Nach einer der zahlreichen Legenden zur Entstehung des Textes sollen zwei Männer aus dem Gefolge von Bonnie Prince Charlie 1745 nach dem fehlgeschlagenen zweiten Jakobiteraufstand gefangen genommen worden sein. Einer wurde freigelassen, der andere zum Tod verurteilt: Der Freigelassene geht die High Road (den Weg über die Berge) nach Hause, während der Hingerichtete nur über die Low Road zu seiner Liebsten kommen kann – den Weg der Toten durch die Unterwelt und dadurch schneller in Schottland ist. Seine Liebste wird er aber nie wieder an den Ufern des Loch Lomonds treffen können, aus offensichtlichen Gründen. (Schnief)

Interessanterweise wird das Lied in der Version von Runrig gerne bei Fußballspielen gegrölt:

Im Mittelteil wird übrigens auf Gälisch gesungen:

ho, ho mo leannan (ho, ho meine Liebe)

ho mo leannan bhoidheach (ho meine schöne Liebe)

Ein trauriges Liebeslied beim Fußball zu grölen, kriegen auch nur die zutiefst romantisch veranlagten Schotten fertig…

Das war Schottland fürs erste, aber nach Schottland ist vor Schottland: Im Herbst geht es aber wieder nach Edinburgh.

https://www.youtube.com/watch?v=PSH0eRKq1lE